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Donnerstag, 16. Februar 2023

Sortierung tut weh

Die vergangenen Wochen, rund um die Semsterferien, waren für die neunjährigen Kinder in Österreich eine extrem stressige Zeit. Auch für deren Eltern. Und für alle Lehrkräfte, die mit Kindern dieser Altersgruppe zu tun haben. Warum? Weil mit dem Semersterzeugnis der 4. Volksschulklasse, im Alter von etwa neuneinhalb Jahren, eine der wichtigsten Bildungsentscheidungen im Leben österreichischer Kinder fällt: Die Sortierung in die Mittelschule oder in die AHS-Unterstufe. 

Die Hälften sind mittlerweile etwa gleich groß: Etwa 50% der Kinder schaffen es, einen der heißbegehrten Gymnasiumsplätze zu ergattern, und damit auf der Überholspur unseres Schulsystems zu landen. Die andere Hälfte bleibt übrig – und landet in jener Schulform, die sich ihre Schüler:innen, im Gegensatz zu den Gymnasien, nicht aussuchen kann: in der Mittelschule. Die – speziell in den Städten - mittlerweile als „Restschule“ gilt. 

Ich finde diese Sortierung zutiefst unvernünftig. Ich halte sie für ungerecht, und schädlich für alle Beteiligten – zuvorderst für die Kinder, aber in weiterer Folge auch für Familien, Lehrkräfte, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Wirtschaft. Hier ein paar paar Gründe:

  • Mit „Leistung“ hat die Sortierung in die beiden Schultypen relativ wenig zu tun. Umso mehr mit sozialer Zugehörigkeit und mit Erwartungshaltungen. Ein Akademikerkind „gehört“ ins Gymnasium, ein Arbeiterkind nicht; dementsprechend werden sie fast immer zugeordnet.
     
  • Das Semesternoten der 4. Klasse bekommen damit eine riesige Bedeutung, mit absurden Folgen: Bildungsnahe Eltern zahlen schon in der Volksschule Nachhilfestunden. Kinder erleben sich mit einem Zweier oder Dreier als „Versager“, erleben Stress und Ängste.

  • Auf Volksschul-Pädagog:innen wirkt ein enormer Druck, Einserzeugnisse auszustellen, um den Weg in die Wunschschule zu ermöglichen. Mit „Notenwahrheit“ oder Vergleichbarkeit der Leistungen haben diese Einser wenig zu tun.

  • Kinder, die in die Mittelschule sortiert werden, erleben sich als „zweitklassig“. Schon mit neun Jahren machen sie die Erfahrung, „nicht gut genug“ zu sein. Das hat weitreichende Auswirkungen: Auf das Selbstwertgefühl, die Ambitionen, die Bildungsziele.

  • Die soziale Segregation bedeutet, insbesondere in Städten: Dass in beiden Schultypen Kinder aus ähnlichen sozialen Milieus unter sich bleiben. Das beschränkt für ALLE Familien den Horizont, verstärkt Nicht-Wissen, Vorurteile und Ängste, und spaltet die Gesellschaft.

  • Viele Kinder sitzen im objektiv falschen Schultyp – leiden viele Jahre lang, und können ihr Potential nicht ausschöpfen. Talentierten Kindern in der Mittelschule fehlen die Vorbilder und die weiterführenden Bildungsperspektiven, etwa in Richtung Studium. Handwerklich talentierte Kinder im Gymnasium hingegen erfahren kaum je etwas über die vielen interessanten Lehrberufe. 

  • Jugendliche treffen daher schlecht informierte Berufsentscheidungen, mit denen sie mittelfristig nicht glücklich werden. Ökonomisch gesehen, verschwenden wir damit enorm viel Talent und Ressourcen. 

Es ist mir bewusst, dass die gemeinsame Schule der 6- bis 14jährigen nicht übers Knie gebrochen werden kann. Sie braucht behutsame Vorbereitung, ausreichend Ressourcen, viel guten Willen, und ein gesamtgesellschaftliches, mutiges Commitment. Selbstverständlich muss die gemeinsame Schule eine inklusive Schule sein – die kein Kind abweist, und in der jedes Kind nach seinem passenden Tempo lernen kann. Das bedeutet: Viel Individualisierung, Leistungsgruppen, Neigungsgruppen, Begabungsförderung. Das bedeutet selbstverständlich auch: Dass sich alle Pädagog:innen künftig mit Vielfalt, Heterogenität und individuellen Lernmethoden auseinandersetzen müssen.

Seit Jahrzehnten ist die Debatte über die gemeinsame Schule in Österreich ideologisch vergiftet. In den letzten Monaten spüre ich jedoch, dass sie langsam wieder beginnt, mit einem pragmatischen Grundton. Gut so!

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