Vergangene Woche war Sonnenschein am Traunsee, und wir waren im wunderschönen Gmunden. Walter Mayrhofer, der Direktor der Nikolaus-Lenau-Schule, hatte uns eingeladen. Und wir kamen gern, um vor Ort zu erfahren, wie "umgekehrte Inklusion" in der Praxis funktioniert. Oberösterreich hat, was dieses Modell betrifft, ja schon in den 1970er-Jahren Pionierarbeit geleistet. 10 von insgesamt 26 Sonderschulstandorten stellten seit damals ihren Betrieb auf inklusiven Unterricht um, und begannen, auch Kinder ohne Behinderungen aufzunehmen. Mitterweile ist der einstige Schulversuch zur Normalität geworden.
In der Nikolaus-Lenau-Schule schaut das so aus: Vier Volksschulklassen werden inklusiv geführt, das heißt: Kinder mit und ohne Behinderungen lernen gemeinsam, unterstützt von einem Pädagog:innenteam. Das geeigneste Modell dafür ist die altersgemischte Mehrstufenklasse. Denn hier wird von vornherein drauf verzichtet, eine "Norm" für den gemeinsamen Lernfortschritt festzulegen. Jedes Kind lernt in seinem eigenen Tempo. Jedes Kind erlebt, aus der Rolle der "Kleinsten" in der ersten Schulstufe, Jahr für Jahr, in die Rolle der Älteren, Größeren hineinzuwachsen. Und jedes Kind macht jeden Tag die Erfahrung, dass man von anderen Kindern unterschiedlichste Dinge lernen und erfahren kann.
Gleichzeitig kann man hier in Gmunden jedoch auch sehen, dass wir in Österreich mit der Inklusion noch längst nicht am Ziel sind. Die Nikolaus-Lenau-Schule ist nämlich speziell auch für jene Kinder aus der Region da, die anderswo keinen Schulplatz finden - und das sind (leider!) immer noch viel zu viele. Die Regelschule ums Eck hat nämlich rechtlich keine Verpflichtung dazu, alle Kinder aus ihrer Nachbarschaft aufzunehmen, und Kindern mit Beeinträchtigungen die dafür notwendige Unterstützung zur Seite zu stellen (wie das z.B. in Südtirol schon seit Jahrzehnten der Fall ist). Man kann Kinder auch weiterschicken, in eine Sonderschule.
Deswegen gibt es in der Nikolaus-Lenau-Schule, parallel zu den inklusiven Klassen, auch immer noch reine Sonderschulklassen. Für Kinder, die besonders intensive Zuwendung brauchen. Für Kinder, die sozial und emotional von größeren Gruppen überfordert sind. Oder auch für ältere Kinder und Jugendliche: Speziell was die 9. bis 12. Schulstufe betrifft, herrscht in Österreich ein klaffendes Loch an maßgeschneiderten Bildungsangeboten. Die würde es dringend brauchen: Damit auch Jugendliche mit Behinderungen ihre Talente voll ausschöpfen können. Damit sie einen Beruf finden, mit dem sie sich selbst erhalten, und aus dem sie Selbstwertgefühl schöpfen können.
Hier gibt es noch viel zu tun!
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