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Mittwoch, 8. Mai 2024

Am Beispiel Lena

Wie gerade mit Lena Schilling umgegangen wird, empört mich derart, dass mir die Luft wegbleibt. Ich sage das ganz explizit als ehemalige Journalistin, die Medien heute aus der umgekehrten Perspektive beobachtet.

 

Was ist passiert? Eine 23jährige Frau, gescheit, eloquent, charismatisch, politisch gestählt in jahrelangen zivilgesellschaftlichen Kämpfen, entscheidet sich, als grüne Spitzenkandidatin in den EU-Wahlkampf zu ziehen. Das ist riskant. Von Anfang an ist klar: Das wird hart. Man wird Lena Schilling ihre Jugend nicht verzeihen, ihr Goschert-Sein, und ihren Mut, sich selbstbewusst in die erste Reihe zu stellen. Sowas dürfen normalerweise Männer ab 50. Eine junge Frau, die sich dasselbe anmaßt, muss mit Strafe rechnen.

Die wirksamste Strafe in der Mediengesellschaft lautet: Wir werden privates, persönliches Zeug über dich herausfinden, und dich damit durch die öffentliche Arena zerren. Und dann schauen wir, erste Reihe fußfrei, zu, ob du stolperst.

Gehen wir also die Vorwürfe durch, die im vieldiskutierten „Standard“ -Artikel gegen Lena Schilling konkret erhoben werden. Erstens: Sie hat (in einem privaten Gespräch in ihrem allerengsten Lebensumfeld!) Sorge geäußert, ob eine Freundin vielleicht von ihrem Ehemann geschlagen wird. Genau das sollten wir alle tun: Hinschauen, Warnsignale wahrnehmen, Rat suchen, und Hilfe anbieten, falls notwendig. Exakt dieses Verhalten bewerben wir in millionenteuren „Schau nicht weg“-Gewaltschutz-Kampagnen. Dass die Sorge um die Freundin im konkreten Fall offenbar unbegründet war – umso besser.

Zweiter Vorwurf: Dass sich Lena Schilling von einem Mannbelästigt fühlte, der Mann hingegen war sich keines Fehlverhaltens bewusst. Ja, derart unterschiedliche Wahrnehmungen kommen vor. Tausende Frauen und Männer erleben das jeden Tag.

Die weiteren – allesamt anonymen - Vorwürfe haben dann bloß noch Tratsch-Niveau: Hier habe Schilling schlecht über jemanden gesprochen“, dort übertrieben oder allzu „freimütig erzählt“, hier jemanden „verärgert“, „verletzt“ oder „irritiert“. Man hat ehemalige Mitstreiter gefunden, die von Schillingenttäuscht“ sind, oder sich „gegeneinander ausgespielt“ fühlten. Garniert wird all das noch mit schlüpfrigem Raunen über „Affären“ bzw „erfundene Affären“.

Der „Standard“-Artikel leitet daraus ein Charakterdiagnose ab:„Problematische Verhaltensmuster. Samt der Konsequenz: Dass ihre Kandidatur deswegen in ernste Probleme gerät“.

Ich hingegen würde von derselben Redaktion gern wissen: Stellen Sie ähnlich extensive Recherchen auch im privaten Umfeld von Reinhold Lopatka, Andreas Schieder, Helmut Brandstätter und Harald Vilimsky an? Könnte es bei denen ebenfalls ehemalige Bekannte geben, die sich eventuell „verletzt“ oder „verärgert“ fühlen? Affären gar? Würden Sie dies als ebenso „problematische Verhaltensmusterbrandmarken, und ihre Kandidatur deswegen in Frage stellen? Oder tut man das nur bei einer 23jährigen Frau?

„Mit ihrer Entscheidung, Spitzenpolitikerin zu werden, ist Schilling zur Person des öffentlichen Interesses geworden“, lautet die Rechtfertigung dann. In meinen Ohren dröhnt das wie eine Drohung.

Diese Drohung ist hart und brutal, und sie richtet sich an alle jungen Frauen dieses Landes: Trau dich bloß nicht, das Köpfchen rauszustrecken. Dräng nicht an die Öffentlichkeit, exponier dich nicht, zeig dein Gesicht nicht in den Medien. Es wird nicht gut ausgehen für dich. Du wirst entblößt und gemaßregelt, geteert und gefedert, und am Ende wird es über dich heißen: Selber schuld. Wärst halt brav und bescheiden und still geblieben, hinten in der Ecke, wie es sich für anständige Mädchen gehört. Wir haben dich gewarnt!

Ich versuche, mir vorzustellen, was im Kopf eines 17jährigen Mädchens passiert, das in diesen Tagen Medien konsumiert. Vielleicht hätte dieses Mädchen Lust, politisch aktiv zu werden. Laut ihre Meinung zu sagen. Sich einzumischen, in der Klimabewegung, im Gemeinderat oder sonstwo. Aber dann schaut dieses Mädchen zu, was sie mit Lena machen.  Denkt an ihren Freund, an ihre Ex-Freundin, mit der sie sich zerstritten hat, an die vielen komplizierten Geschichten in ihrem Privatleben, und daran, wie verwundbar sie eigentlich ist.

Vermutlich wird es die 17jährige dann doch lieber bleibenlassen mit der Politik, und das Mikrophon demBurschen überlassen, der neben ihr steht. Da wartet ja immerschon einer.

Ist es wirklich das, was wir wollen?

Kommentare

  • Hermann Schindler

    Danke! Und alles Gute für Frau Hamann und Frau Schilling

  • bizz

    Danke, Frau Hamann, für Ihre augenöffnenden Ausführungen. Ich hatte gerade zufällig das unsägliche Vergnügen, das Bezirksblatt einer Landgemeinde zu lesen: Ich zählte 17 männliche Honoratioren - Bürgermeister, Vizebürgermeister, Obmänner, Hegemeister, Geneindearzt etc etc - zwischendrin auch 3 nicht ganz so honorige Frauen ( oft verfassten sie einfach einen Bericht für ihre Chefitäten)...: Anscheinend sorgen sogar Blätter wie DER STANDARD dafür, dass sich daran in Zukunft ja nichts ändert. Haarsträubend!

  • opelt rüdiger

    Danke für diesen Kommentar und das Einklagen von einem minimalen bisschen Solidarität mit Frauen. Die letzten Tage habe ich begonnen, an Österreich und dem hier herrschenden Betrieb zu verzweifeln. Sie haben die Dinge wieder ins richtige Lot gerückt. Den Standard werde ich nie wieder lesen

  • Heinz Uray

    Herumzuerzählen, dass man mit dem Journalisten X eine Affäre gehabt hätte und dass dieser auch mit anderen GrünInnen im Bett gewesen sei, lässt unabhängig vom Wahrheitsgehalt auf spätpubertäres Verhalten schließen und ein solches diskreditiert die Spitzenpolitikerin einer Partei, die besonderen Wert auf politische und menschliche Korrektheit legt.

  • Renate Hofstetter

    Dass "der Standard" in diesem Fall so verantwortungslos agiert hat, bringt mich dermaßen auf, dass ich nahe dran bin, mein Abo zu kündigen.

  • Herbert

    Am Beispiel Hamann sieht man die Grüne Bigotterie und mangelnde Konfliktlösungsfähigkeiten. Feminismus um Täter - Opfer Umkehr zu betreiben, kein Wort zu den Opfern der Verleumdungen durch Lena, kein Wille, die Dinge wirklich transparent aufzuklären. Dafür eine fiktive 17jährige, die nicht in die Politik gehen will, weil man für seine Verleumdungen auch dort zur Rede gestellt werden kann. Spitzenvorbild, Frau Hamann. Bezeichnend auch, dass man keine neuen Kommentare mehr veröffentlicht, weil schon zu viel bekannt und man eh schon die positivsten selektiv ausgewählt hat. Aber der Standard ist unseriös. Viel Glück mit Lena in Brüssel und eine Grünpartei, die wieder in der APO landet. Man hat aus dem Fall Petrik wohl noch immer ncht gelernt.

  • erich kvas

    Bravo!

  • Andi Leitinger

    Hihihi, ist hier die Kommentar-Sektion zum gegenseitigen Bauchpinseln?

    Ist Das die grüne Version von "wir haben Alles richtig gemacht" vom ÖVP-Hörl während Corona?

    Witzig, wie ihr, eine selbst-ernannt "feministische" Partei, euch plötzlich so für die "Attraktivität" eurer Spitzenkandidatin interessiert.

    Denis Miklau schreibt: "Jetzt werden wir noch mehr hinter Lena stehen!" -> "Jetzt erst recht" zu wählen kennt man normalerweise nur von den Blauen.

    Wie seid ihr nochmal mit dem Ibiza-Video umgegangen?

  • Doren I. Haas

    Dieses Machwerk bleibt leider ein leicht durchschaubarer Versuch.
    Aus inkriminierenden Behauptungen (belegt durch einen gerichtlichen Unterlassungsbescheid) zimmert man eine zutiefst menschliche Besorgnis, die wir eigentlich alle haben sollten.
    Aus zahlreicher, heftiger Kritik an den Handlungen und am Charakter einer Personen aus den eigenen, grünen Reihen, wird eine vermeintliche Hetzkampagne herbeifantasiert, die natürlich nur im Sexismus ihren Ursprung haben kann.
    So wird das leider nichts, liebe Grüne.
    Ihr stellt Euch selbst ins Abseits.

  • Georg Gruber

    "Wärst halt brav und bescheiden und still geblieben, hinten in der Ecke, wie es sich für anständige Mädchen gehört."
    Das scheint doch genau der Punkt zu sein.
    Auf ihrem Weg nach vorne scheint Lena Schilling Mittel eingesetzt zu haben, die mancher Wegbegleiter nicht als so sonderlich anständig wahrgenommen hat, und vielleicht kommt man anders auch nicht so schnell nach vorne.
    Jedenfalls ist der Spruch "Man sieht trifft sich immer zweimal im Leben" nicht nur so dahingesagt, der hat schon auch Substanz, wie Lena Schilling jetzt auf die harte Tour lernt.

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