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Dienstag, 20. September 2022

Schule in Finnland - Was machen die Finn:innen anders?

Wenn man eine Reise tut, kann man was erzählen – auch über Bildung!
Im Sommer habe ich mir auf einer Studienreise das finnische Schulwesen näher angeschaut. Es ist eines der besten der Welt, sowohl was die messbaren Ergebnisse bei internationalen Leistungsvergleichen, als auch was die Zufriedenheit von Schüler:innen und Lehrer:innen betrifft.
Wie kommt das? Was machen die Finn:innen besser als fast alle anderen? Und was könnten wir vielleicht von ihnen lernen?

Bildung in Finnland, Teil 1: Die Grundschule

Finnische Kinder kommen erst mit sieben Jahren in die Schule. In den Jahren davor sind sie in der Krippe, im Kindergarten und in der Vorschule – jede Gemeinde ist verpflichtet, ausreichend Plätze zur Verfügung zu stellen.

Dann folgen neun Grundschuljahre, selbstverständlich gemeinsam für alle. Weitgehend inkludiert sind hier auch Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

In den ersten vier Schuljahren sind Noten verboten. Ab der 5. Schulstufe sind sie erlaubt – allerdings immer ergänzt um eine verbale Erläuterung. Erst im neunten und letzten Pflichtschuljahr sind Noten verpflichtend.

Was den Unterricht betrifft, gibt es nur wenige zentrale Vorgaben. Aus dem Bildungsministerium kommen bloß die allgemein verbindlichen Lernziele (die standardisiert überprüft werden),  sowie das Budget. Wie man dieses Ziel erreicht, und wofür das Geld konkret eingesetzt wird, bleibt den Kommunen überlassen. Schulbürokratie gibt es kaum.

Wir besuchen eine Grundschule in Turku. In jeder Klasse lernen hier etwa 20 Kinder – jeweils aus der 1. und 2. Schulstufe, der 3. und 4., sowie der 5. und 6. gemeinsam. Je drei dieser Klassen  - also insgesamt 70 Kinder zwischen 7 und 12 Jahren - sind zu einem sogenannten „Dorf“ zusammengefasst: Das ist ein gemeinsamer Bereich aus Lern- und Spielräumen, Garderoben, Essbereich und Waschräumen. Die Kinder wechseln innerhalb dieses Dorfes die Schulstufe, die 3 Lehrkräfte des Dorfes arbeiten eng zusammen.  Die Räume sind von durchsichtigen Glasscheiben voneinander getrennt.

Die Pädagog:innen seien in die Planung der Schule kontinuierlich eingebunden gewesen, erzählt der Schulleiter. Und er erzählt auch, dass er bei er Auswahl seines Personals freie Hand hat: „Oberste Priorität für mich hat, dass es Leute sind, die gut miteinander im Team arbeiten. Jeder ist mitverantwortlich dafür, dass es allen gut geht.“ Ob er mit seinem Budget lieber eine zusätzliche Sozialarbeiterin anstellt oder neue Laptops kauft, ist seine Entscheidung.

Erst für die 7. bis 9. Schulstufe gibt es „Fachlehrkräfte“ mit verschiedenen Spezialisierungen. Doch auch dann wird die fächerübergreifende Zusammenarbeit großgeschrieben: Die Kunstlehrerin erzählt – anhand eines leuchtenden Plüsch-Einhorns - wie das funktioniert: Die Kindergartenkinder hatten sich eine Beleuchtung für den Waschraum gewünscht, die Grundschüler:innen malten im Zeichenunterricht Entwürfe, die in den Fächern Design und Technik – mit Nähmaschine und LED-Schaltkreisen – schließlich verwirklicht wurden.

Gelernt wird in der Grundschule in 90-Minuten-Einheiten, jeweils mit halbstündigen Pausen dazwischen, die bevorzugt im Freien verbracht werden.  Nachmittags gibt es für jene, die das brauchen, Betreuung im „Club“ – die ist allerdings kostenpflichtig. Hungrig bleibt niemand: Die täglich warme Mahlzeit zwischen 10.30 und 12 Uhr ist gratis für alle und ein wichtiger Fixpunkt des Tages.

 

Kapitel 2: Höhere Schulen/Gymnasium

Nach 9 Jahren Pflichtschule teilen sich die Bildungswege der 15-16jährigen: eine Hälfte macht eine weiterführende Berufsbildung (siehe Kapitel 3), die andere Hälfte bewirbt sich mit dem Grundschul-Zeugnis bei einer höheren Schule. Hier herrscht Wettbewerb: Die Schulen bieten verschiedene Schwerpunkte und Spezialisierungen; für begehrte Schulen braucht man einen guten Notenschnitt oder Eignungsprüfungen. Privatschulen gibt es generell kaum; die wenigen, die es gibt, dürfen keine Schulgebühren einheben. 

Nur im ersten Schuljahr gibt es einen gemeinsamen Stundenplan. Nachher  löst sich alles in einem Kurssystem auf, das den Schüler:inen viel Raum lässt, ihren Stundenplan selbst zusammenzustellen. Nur wenige Grundkurse (Finnisch, Schwedisch, Mathematik) sind verpflichtend, der Rest kann nach den eigenen Vorlieben frei gewählt werden – von Artificial Intelligence über Fremdsprachen bis hin zu Meeresbiologie oder Theater ist hier alles möglich.

So verschieden die Inhalte – einen Gleichklang gibt es beim Lernrhythmus. Kurse bestehen aus 75-Minuten-Einheiten, und dauern jeweils 7 Wochen. Nach diesen sieben Wochen ist „Exam Week“, in der alle Prüfungen für alle Kurse abgelegt werden. Fünf solcher Kursperioden gehen sich in einem Schuljahr aus.

 Insgesamt müssen Schüler:innen, um das Gymnasium abzuschließen, eine bestimmte Zahl an Kursen erfolgreich absolviert haben. Tempo und Intensität bestimmen sie selbst: Man kann Kurse wiederholen (eventuell bei einer anderen Pädagog:in), und für die Schule insgesamt 2, 3 oder auch 4 Jahren brauchen, ehe man zur Zentralmatura antritt. Diese findet – wie in Österreich – in ganz Finnland gleichzeitig statt, überall mit denselben Aufgaben.

Aus Pädagog:innensicht bedeutet dieses Kurssystem, dass Wettbewerb herrscht; bei den Themen ebenso wie bei den Methoden. „Manche Lehrkräfte sind schneller ausgebucht als andere“, erklärt eine Schulleiterin. „In der Regel gleicht es sich aus, weil verschiedene Methoden für verschiedene Schüler:innen unterschiedlich gut funktionieren. Aber wenn die Kurse einer Lehrerin immer leer bleiben, muss man nachschauen, was passiert ist.“

Was die Unterrichtsverpflichtung (20-25 Stunden pro Woche), die Klassengröße (etwa 30) oder die Bezahlung betrifft, gibt es wenig offensichtliche Unterschiede zu Österreich. Im Gymnasium, das wir besuchen, kommen 70 Fachpädagog:innen auf 1000 Schüler:innen – ähnlich wie bei uns. Den entscheidenden Unterschied macht das übrige Personal: es gibt im Haus ein dreiköpfiges Schulleitungsteam, 2 Sonderpädagog:innen, 2 Psycholog:innen, 2 School Nurses, 2 Sozialarbeiter:innen, 2 Administrator:innen, einen Schulwart. Und, ganz wichtig: 5 Beratungslehrer:innen, deren Hauptaufgabe darin besteht, die Schüler:innen in regelmäßigen persönlichen Treffen individuell zu coachen, eigene Lernziele zu formulieren, die passenden Kurse zu buchen und bei Problemen zu helfen.

 

Kapitel 3: Lehre und Berufsbildung

Etwa die Hälfte der 15-16jährigen Jugendlichen beginnt nach der 9jährigen Grundschule eine berufsbildendende Ausbildung. Ähnlich wie in Österreich herrscht auch in Finnland bis zum 18. Lebensjahr Ausbildungspflicht. Doch organisiert ist die Berufsbildung anders als bei uns.

„VET“ (Vocational Education and Training“) heißt das finnische System, und ist gesellschaftlich hoch angesehen. Die Ausbildungszentren, die es in jeder Kommune gibt, haben Kursräume und Lernwerkstätten für praktische Übungen unter einem organisatorischen Dach, und vereinen verschiedenste Aufgaben: Berufsausbildung für Jugendliche, Jugendcoaching, Berufsorientierung, Basisbildung für niedrigqualifizierte Erwachsene, sowie Weiterbildung für Berufstätige, bis hin zu akademischem Niveau. Das Motto lautet: Ins VET soll man lebenslang wiederkommen können, wenn man sich beruflich neu orientieren und weiterbilden möchte. Kostenlos!

Ein Einstieg ins System ist ganzjährig jederzeit möglich. Kernelement ist ein persönlicher Bildungs-Plan, der gemeinsam mit einem/r Tutor:in erstellt wird. Hierbei wird das Lernziel definiert; bereits bestehende Kompetenzen werden praktisch demonstriert und bescheinigt; für den Erwerb fehlender Kompetenzen gibt es – je nach Inhalt und Lerntyp - Kurse, Online-Angebote, oder praktische Trainings. Das high-tech-Land Finnland nützt zum inividualisierten Üben auch viel AR (augmented reality) – wo man etwa das Staplerfahren oder Reifenwechseln simuliert, ehe man es praktisch ausprobiert. Es gibt allgemeinbildende Module (etwa Sprache, Kommunikation, Mathematik, Staatsbürgerkunde) und berufsspezifische Module, die in den Lernwerkstätten oder direkt in Betrieben stattfinden. In Betrieben gibt es entweder die Möglichkeit eines (bezahlten) Lehrvertrags, oder eines (unbezahlten) Praktikumsvertrags; stets jedoch begleitet von einem/r Tutor:in. 

Interessant an diesem Modell ist, dass sie keine Trennung zwischen Jugendlichen und Erwachsenen vorsieht – für die Lehre und die Erwachsenbildung gilt dasselbe Bildungsgesetz. Etwa die Hälfte der VET-Schüler:innen sind demnach unter 20 Jahre, die andere Hälfte älter; oft lernt man in altersgemischten Kursen, was eine Vielfalt der Blickwinkel und Erfahrungen bringt. Während des Lernens werden keine Noten gegeben, sondern nur kontinuierliches Feedback. Wie viel oder wenig Zeit Schüler:innen in der Schule verbringen, ist gleichgültig. Entscheidend sind einzig und allein die Kompetenzen, die man erwirbt und anwenden kann. Sobald die Lehrkraft entscheidet, dass man in einem bestimmten Feld bereit ist, tritt der/die Schüler:in zur Prüfung an.

Die Lehrerschaft im VET ist – der Ausbildungsvielfalt entsprechend - bunt gemischt. Voraussetzung sind jedenfalls eine 3jährige Berufserfahrung und ein einjähriger pädagogischer Lehrgang.

„Früher was die Berufsbildung in Finnland eine Sackgasse – jetzt nicht mehr“, erklärt uns eine Schulleiterin in Helsinki. Im VET sind nämlich jederzeit auch Kurse in Richtung Matura, Fachhochschulen und Universítäten möglich. „Damit hat der starke Drang in Richtung Gymnasium, den es auch in Finnland früher gab, aufgehört.“

 

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