Fünftes Kapitel einer ehrlichen, analytischen Rückschau auf unsere grüne Regierungsbeteiligung: Jedes Kind muss Deutsch lernen. Doch das gelingt besser mit Pragmatismus statt Ideologie.
Jahrelang war die Debatte um schulische Integration vergiftet, und ideologisch fixiert auf den Streit um die Deutschförderklassen. Für die ÖVP waren diese ein symbolisch aufgeladenes Prestigeprojekt, das sie auf keinen Fall in Frage stellen wollte. SPÖ und Neos hingegen kritisierten uns jahrelang dafür, dass uns die Abschaffung dieser Klassen nicht gelang. Sowie auch dafür, dass wir die restriktive Einwanderungspolitik der ÖVP nicht radikal umdrehen konnten.
Wir haben uns, zwischen diesen Fronten, für einen pragmatischen Zugang entschieden: Der ÖVP haben wir in zähem Kleinkrieg eine ehrliche Evaluierung und wesentliche Verbesserungen bei den Deutschförderklassen abgerungen (kleinere Gruppen, mehr Ressourcen, neue Deutschförderung im o.Status, flexiblerer Umstieg und Aufstieg in die nächste Schulstufe). Der dysfunktionale MIKA-D-Test wird neu gemacht, Pilotierungen dazu laufen bereits.
Klar war für uns immer, dass alle Kinder so schnell wie möglich Deutsch lernen sollen – am besten auf integrativem Weg. Und dass die Schulen selber entscheiden sollen, wie sie das am besten organisieren.
Gleichzeitig haben wir in diesen 5 Jahren – erfolgreich - versucht, mehrere autoritäre ÖVP-Vorstöße, die Zwang und Strafen einführen wollten, abzuwehren (verpflichtende Deutschkurse und Prüfungen, Sanktionen für Eltern, Kürzung von Sozialleistungen etc), und stattdessen Freiwilligkeit und Überzeugungsarbeit hochzuhalten.
Im Licht der aktuellen Integrationskrise in Wien hat sich die Debatte nun aber interessanterweise umgedreht: Die Wiener Landesregierung fordert heute zB die Zusammenfassung von Flüchtlingskindern in eigenen „Orientierungsklassen“ (die eine noch viel extremere Separierung bedeuten als die von ihnen einst kritisierten Deutschförderklassen), eine Verpflichtung zur Sommerschule, sowie Strafen für Eltern, die zu wenig kooperieren. Außerdem eine Residenzpflicht für Flüchtlinge in anderen Bundesländern.
Generell sehen wir uns mit unserer pragmatischen Haltung hier nachträglich bestätigt: Die gesellschaftliche Integrationsaufgabe ist riesig, speziell auch im Wiener Bildungswesen. Gelöst wird sie weder durch Schönreden, noch durch wechselseitige Schuldzuweisungen. Sondern nur, indem alle, auch Bund und Länder, zusammenhelfen!
Wo soll es in Zukunft hin? Ein riesiges Potential sehen wir noch bei der Förderung der Erstsprachen. Österreich sitzt hier auf einem riesigen Sprachenschatz, der noch viel zu wenig Sichtbarkeit und Wertschätzung erfährt! Für die Erfassung aller Erstsprachen von Kindern bei Schuleintritt haben wir bereits die gesetzliche Grundlage geschaffen. Darauf müsste nun eine systematische schulische Förderung aufbauen, in Wort und Schrift, mit kontinuierlicher Evaluierung der Fortschritte, und der Möglichkeit, in diesen Sprachen auch zur Matura anzutreten. Zusätzlich braucht es noch freiwillige, spielerische Fremdsprachenangebote für alle anderen Kinder.
Auch für durchgehend zweisprachige Schulen gibt es bereits eine gesetzliche Grundlage. In manchen Regionen, etwa in Grenzgebieten oder Großstädten, könnte dies die Basis für interessante neue pädagogische Konzepte sein, die Minderheiten- und Erstsprachen aktiv einbeziehen!
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